Rostige Rinde

Rostige Rinde

Es gibt Phänomene im Garten, die einen echt beunruhigen können. Das ist vor allen Dingen der Fall, wenn diese plötzlich auftreten und sich dann auch noch mit erstaunlicher Geschwindigkeit ausbreiten.

Ein solche Phänomen beobachte ich seit letztem Jahr an meinem Essigbaum Rhus thypina. Nämlich rostige Rinde. Die Rinde bekam in einem kleinen Bereich merkwürdig orangefarbene Stellen. Die breiteten sich weiter aus. Dieses Jahr ist schon ein Drittel des Stammes im mittleren Bereich “verrostet”. Was zum Teufel ist da los? Der erste Gedanke war Rostpilze. Zumal der Stamm einen Knick hat und der vermeintliche Pilz auf dem Bereich des Stammes auftritt, der eher flacher verläuft, Wasser also weniger schnell abläuft. In diesem Bereich gibt es auch Risse in der Rinde, was den Anblick nicht hübscher macht.

 

Rostige Rinde

 

Da ich schon zwei Bäume in den letzten Jahren krankheitsbedingt verloren habe, schrillen dann natürlich meine inneren Alarmglocken in den höchsten Tönen. Zumal der Essigbaum mit seiner kleinen aber schirmartigen Krone den perfekten Sichtschutz zum Nachbarhaus bildet. Den zu verlieren wäre wirklich ein Problem.

 

Rostige Rinde

 

Also wühle ich mich durchs Internet und alle Artikel derer ich zum Thema verrostete Rinde habhaft werden kann und komme auf etwas ganz Harmloses.

Schuld ist kein böser Pilz, sondern eine sehr nette Alge. Genauer gesagt eine Rarität unter den Algen, nämlich eine Luftalge: Trentepohlia aurea. Es gibt auch noch Trentepohlia umbria. Beide sind für Laien aber kaum zu unterscheiden. Aber eine von beiden wächst da.

Es handelt sich also um keine Alge, die wie üblich an Wasser gebunden ist, sondern um eine, die in luftigen Höhen wächst. Trentepohlia aurea hat sich in den letzten Jahren zunehmend ausgebreitet. Und das hat seinen Grund, denn sie ist, genau wie Flechten, eine Zeigerpflanze für gute Luftqualität. Die hat sich anscheinend bei uns wesentlich verbessert und als Folge von Corona hat sich zusätzlich, dank vieler Einschränkungen in Luft- und Autoverkehr aber auch in der Produktion, eine positive Wirkung in Sachen Luftqualität in den Städten gezeigt. (Wenigstens etwas wofür dieser Mistvirus indirekt gut ist.)

Übrigens breitet sich Trentepohlia meist an Gehölzen aus, die in der Nähe von Teichen stehen. Passt! Unser Essigbaum überspannt den Bachlauf im Hang. Der verdunstet reichlich Wasser und davon partizipiert wiederum Trentepohlia.

 

Rostige Rinde

 

Ein wenig Verwirrung herrscht bei der Benennung der Alge: Obwohl aurea golden und umbria bräunlich bedeutet, leuchten die Algen auf den Stamm im Sonnenlicht und auf frisch besiedelten Arealen satt orange und um die Verwirrung komplett zu machen, gehört Trentepohlia zu den Grünalgen.

 

Rostige Rinde

 

Und tatsächlich produziert die Alge Chlorophyll – also den grünen Pflanzenfarbstoff – der wird allerdings von eingelagerten Carotinoiden optisch überlagert. Chlorophyll bedeutet, die Pflanze betreibt Photosynthese, das heißt sie hat gar keinen Grund den Baum irgendwie zu parasitieren. Denn aus Licht, Wasser und Kohlendioxid stellt sie zu ihrer Versorgung selber Glucose und nebenbei Sauerstoff für uns her. Sie wohnt also einfach nur auf dem Baum, und das eigene  Zuhause zu demolieren wäre ja ziemlich dämlich. Ergo ist sie eine von den Guten.

Andererseits … Genau wegen der Carotinoide sieht Alge aus wie Rostpilz, und genau deshalb hat manch einer ein Problem mit der Optik. Die verrostete Rinde ist wirklich nicht unbedingt als schön zu bezeichnen. Ich habe jedes Mal, trotz besseren Wissens, Angst mir Rostflecken auf den Klamotten einzuhandeln. Und Besucher (wenn mal wieder welche kommen dürfen) fragen unweigerlich was denn mit dem Baum los sei, was jedes Mal längere Erklärungen verlangt.

Wir werden mit Trentepohlia leben müssen. Abschrubben macht nur kurzfristig einen Unterschied, denn blitzartiges Wachstum liegt nun mal in der Natur der Algen. Kennt jeder der einen Teich hat auch von der wasserlebenden Algenverwandtschaft. Abschrubben wäre also nicht von längerem Erfolg gekrönt (ein paar Sporen bleiben immer zurück), sondern würde schlimmstenfalls die Rinde und somit den Baum schädigen. Chemische Keulen machen sowieso keinen Sinn.

 

Rostige Rinde

 

Leben wir also damit. Es gibt zurzeit wirklich Schlimmeres als semihübsche aber harmlose Luftalgen, die sogar für uns Sauerstoff produzieren. Schließlich wissen wir dank Trentepohlia jetzt zumindest, dass wir saubere Luft atmen.

Nur die Ursache der Rindenrisse gilt es noch zu ergründen, denn die machen mir dann doch Sorgen.

 

Bis bald

                                                   

 

 

 

 

 

 

 

 

2 thoughts on “Rostige Rinde

  1. Liebe Claudia,
    sehr interessant, diese Alge kannte ich noch gar. Ich kann mich erinnern, dass wir auch mal einen Strauch hatten, der plötzlich “Rost” ansetzte, damals habe ich auch an einen Pilz gedacht. Jetzt weiß ich, dass es vielleicht eine Alge war. Aber gut, dass die Luft soviel besser bei euch geworden ist.
    Ich wünsche Dir noch einen schönen Sonntag.

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert