Ordentlicher Garten?
In einem ordentlichen Haushalt kommt nichts weg, heißt es. In einem ordentlichen Garten auch nicht. Man kann jetzt natürlich darüber streiten, ob mein Garten „ordentlich“ ist, und ob das so erstrebenswert ist. Das ist vermutlich davon abhängig, wie man ordentlich definiert. Wer es gerne steril, sauber, ohne ein Blättchen oder ungeplantes Kraut hat, wer Rasenkanten immer mit dem Lineal zieht und Tulpen wie Zinnsoldaten in Reihen setzt, wird hier vermutlich schreiend laufen gehen. Bei mir passieren dafür Dinge, die in Supersaubergärten selten vorkommen.
Ich entferne Giersch aus dem Beet zu Nachbars Zaun. Dann erschrecke ich mich wegen lauter Geräusche, die, sorry, wie Rumgerotze klingen. Hinter einer Liriope muscari ein Haufen Laub. So weit, den zu entfernen, bin ich noch nicht gekommen. Die netten Geräusche macht ein Igel, der hier wohnt. Der Laubhaufen bleibt nun selbstverständlich an seinem Platz. Egal, wie das aussieht.
Im Gartenhaus, auf der Oberkante des Schranks, liegt Dreck. Den hat ein Rotkehlchen dorthin geschleppt. War ein Nestbauversuch an einer wirklich sehr ungünstigen Stelle. Ein Öffnen der Tür wäre nicht mehr möglich gewesen. Da ich ständig an den Schrank ran muss, ein echtes Problem. Die Bauarbeiten wurden aber schnell wieder eingestellt.
Trotzdem fliegt Rotkehlchen seit ein paar Tagen im Dauerbetrieb rein und raus – mit Futter im Schnabel. Ergo hat es doch noch irgendwo im Gartenhaus ein Nest gebaut. Die Frage ist nur – wo genau? Ich versuche das jetzt schon die ganze Zeit herauszufinden. Denn gerade jetzt arbeite ich dauernd im Gartenhaus, wo auch mein Pflanztisch steht und die Erden, Dünger, Töpfe, Geräte usw., also alles, was jetzt ständig gebraucht wird. Die Gefahr dabei versehentlich das Nest zu zerstören, wenn ich irgendeinen Gegenstand wegnehme, ist enorm groß. Wäre hier alles wirklich aufgeräumt und nichts würde herumstehen, hätte ich das Problem vermutlich nicht – aber das Rotkehlchen hier auch kein Nest.
Apropos Nester: Dieses Jahr sind es besonders viele.
– Nistkasten vorne: Spatzen
– Nistkasten hinten: Kohlmeisen
– Keine zwei Meter weiter in der Mittelmeerzypresse: Distelfinken
– Zur anderen Seite in der Thuja: Amseln
– Gartenhaus: das besagte Rotkehlchen
– Im gemauerten Kamin zwischen den Edelstahlrohren: Dohlen (Keine Angst, wurde geprüft, da kann nichts passieren. Die eigentlichen Kaminrohre haben einen Dohlenschutz.)
Alle anderen brüten hier regelmäßig, die Distelfinken sind aber neu. Über sie freue ich mich deshalb auch ganz besonders. Andererseits bin ich jetzt in der Bredouille. Denn egal wo ich im Garten hinkomme, irgendwer fühlt sich im Zweifelsfall gestört und brüllt mich an. In Folge müssen bestimmte Arbeiten warten und ich laufe nur noch Entschuldigungen brabbelnd durch meinen Garten. Wenn mich jemand von außen sieht, denkt derjenige auch, die Alte hat nicht mehr alle.
Irgendwann im Herbst 2022, habe ich irgendwo im Garten, bei irgendeiner Arbeit meine Lieblingsschere vermasselt. Sie war einfach weg. Vom Garten verschluckt sozusagen. Alles Suchen half nicht, sie blieb verschwunden. Dass sie schwarze Griffe hat, macht es nicht leichter sie wiederzufinden. In einem ordentlichen Garten wäre das vermutlich nicht passiert. Irgendwann habe ich mich damit abgefunden, vermutet, ich hätte sie versehentlich mit Gartenabfällen in der Biotonne versenkt, und zähneknirschend eine neue bestellt. Wirklich abgeschrieben hatte ich sie innerlich aber nie.
Vorgestern habe ich routinemäßig den Bachlauf gereinigt und den kleinen Teich darunter. Normalerweise nichts Erwähnenswertes. Diesmal liegt der Fokus aber auf dem Wort „routinemäßig“. Denn das mache ich ganzjährig ca. einmal pro Woche. Am Ende hocke ich mich immer auf den Balken dort unten und schaue den Fischen zu.
Vorgestern saß ich wieder da, schaute so nach unten und sah am Teichrand etwas ganz flach aus dem Boden schauen. Genau zwischen meinen Füßen. Etwas Schwarzes, das mir irgendwie vage bekannt vorkam. Das kann doch nicht wahr sein! Meine vermisste Schere! Liegt da die ganze Zeit halb vergraben in der Erde an einer Stelle, an der ich mich ständig aufhalte. Unglaublich!
Sie ist wieder da! Juhuuu!
Aber nach so langer Zeit sieht sie ziemlich mitgenommen aus. Verrostet – aber nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hätte. Sie lässt sich nicht mehr bewegen. Ob die noch zu retten ist? Einen Versuch ist es wert.
Auseinander schrauben und erst einmal abspülen, dann ein halbstündiges Bad des unteren Teils – ohne die Griffe – in Zitronensäurelösung. Es sah aus als wurde das Metall rauchen. Danach war der Rost tatsächlich schon weitgehend weg. Mit der Bürste war der Rest auch schnell verschwunden. Noch etwas WD40 aufs Gelenk. Dann neu schleifen und die alte Schere funktioniert wieder als wäre nichts gewesen. Und wenn ich die beiden jetzt nebeneinander lege, sieht die alte (links) fast besser aus als die neue.
Fazit: Auch in einem unordentlichen Garten kommt nichts weg.
Bis bald

Gibt es was Schöneres, als einen Igel im Garten zu entdecken, ich glaube kaum …
Und die vielen Vogelnester entdeckt man nur, wenn man richtig im Garten wühlt und sich nicht nur oberflächlich umschaut.
Das mit Deiner Schere ist der Hit, wie oft habe ich meine schon gesucht, das eine Mal musste ich unsere komplette Biotonne durchwühlen, es hat sich aber gelohnt.
Herzliche Grüße
von Anke
Ja, die Biotonne ist die größte Gefahr für Gartenscheren, Anke. Mir fällt meistens erst nach der Leerung auf, dass was fehlt.
Welcher Gärtner kennt das nicht, dass irgendein Gerät weg ist. Passiert mir immer wieder. Erstaunlicherweise sind sie immer alle ziemlich schnell wieder aufgetaucht! Vorzugsweise natürlich Gartenscheren!
Die Definition von ordentlich im Garten ist natürlich schwierig. Bei mir liegen auch immer irgendwelche Laub- oder Totholzhaufen herum. Hauptsache, den Gartentieren gefällt es und sie fühlen sich wohl… dann fühle ich mich auch wohl!
Ein schönes, sonniges Wochenende wünscht Dir
Margit
Danke. Das wünsche ich dir auch Margit.
Also wenn dein Garten unordentlich ist, dann wünsche ich mir genau so einen!
Einen Garten mit Herz und Geschichten, mit Brabbelspaziergängen voller Entschuldigungen, schnoddernden Igeln, rotkehligen Geheimnissen und Scheren, die wie Phoenix aus dem Kompost auferstehen – äh, dem Teichrand natürlich.
Ich liebe es, wie du schreibst – so ehrlich, so lebendig, so mitten aus dem grünen Chaos des echten Lebens. Da wird Laub zum Lebensraum, Dreck zur Nestbaustelle und eine vermisste Schere zur kleinen Gartensaga mit Happy End. Und das Beste: Du nimmst es mit so viel Humor und Wärme – ganz ehrlich, ich glaube, dein Garten liebt dich genauso zurück.
Diese Vorstellung, wie du dich vorsichtig durch dein Reich bewegst, überall „Entschuldigung“ murmelnd, während Spatzen, Meisen, Finken, Amseln und das verhuschte Rotkehlchen streng dreinblicken – köstlich! Ich kann dich förmlich sehen, mit deiner Gießkanne in der einen Hand und dem schlechten Gewissen in der anderen, dabei willst du doch einfach nur… gärtnern!
Und dann dieses Scherenglück! Ich hab beim Lesen laut „Jaaa!“ gedacht, als du sie entdeckt hast – wie eine Szene aus einem Gartenfilm, bei dem man mitfiebert. Dass du sie mit Geduld und Zitronensäure wiederbelebt hast, grenzt an gärtnerische Alchemie – und zeigt: Auch Gartengeräte sind manchmal einfach nur… lebensmüde, aber nicht verloren.
Danke für diesen herrlich unperfekten, absolut perfekten Gartenbericht. Ich hoffe, du findest noch ganz viele Dinge wieder, die du längst abgeschrieben hast – nicht nur Scheren. Und dass dir dein Garten weiterhin so viel zurückgibt, auch wenn er dich manchmal brüllend anschaut.
Mit einem breiten Grinsen, einem inneren Knicksen vor dem Igel und einem kräftigen Hoch auf alle „unordentlichen“ Paradiese,
ganz herzliche Grüße
Tom
Hallo Tom,
ich glaube, das ist mit Abstand der schönste Kommentar, den mir jemals jemand geschrieben hat. Vielen Dank dafür.
You made my day!
Viele Grüße
Claudia