Flora – Gewächshausruinen und Slapstick
Dieses Jahr war ich noch nicht in der Flora / Botanischen Garten hier in Köln. Was mich gestern hinzog war die Frage wie es denn jetzt so aussieht ohne die Gewächshäuser. Sind sie schon abgerissen? Eine große Baustelle? Kahle Flächen?
Ja, die Gewächshäuser verschwinden. Sie sind völlig marode, waren zeitweise wegen Einsturzgefahr gesperrt und sollen nun endlich Neubauten weichen. Schöner, höher, größer, moderner soll alles werden. Es ist schon lange an der Zeit was zu tun. Aber trotzdem packte mich die Melancholie – aber eins nach dem anderen.
Der Ausflug war geprägt von kleinen, feinen Slapstick-Nummern, wie sie mir gerne passiert. Und wenn sie passiert dann gleich in Reihe.
Es ging damit los, dass mir beim Umsteigen vom Bus in die U-Bahn die neue Sonnenbrille aus dem Gesicht fiel. In Einzelteilen wohlgemerkt. Eine Schraube futsch der Bügel ab. Okay – in der U-Bahn kann man die Sonnenbrille abnehmen – aber doch nicht so!
Ohne weitere Probleme bin in an der Flora angekommen.
Da ich vieles schon oft fotografiert und auch hier in einem ausführlichen Bericht gezeigt habe biege ich hier gleich links ab.
Vorbei am neuen Flora-Gebäude …
… und der Büste der Kaiserin Augusta, der Schirmherrin der Flora.
Auch die Wassertreppe lasse ich links liegen.
So ganz ohne einen Blick auf die Beete zu werfen geht es natürlich nicht. Zwei meiner Lieblingspflanzen: Indisches Blumenrohr und Rhizinus.
Dann aber geht es zügig weiter zum Rosen- Frauenhof. Von dort hat man einen wunderbaren Blick über den See zu den Gewächshäusern. Sind sie noch da?
Ja, sie sind noch da. Aber schon von weitem wirken sie kahl und verlassen.
Im Vorbeigehen ein paar herbstliche Eindrücke. Die Rottöne dominieren hier.
Vorbei an Neptun …
… komme ich an das frühere Kakteenhaus. Leer! Kein Kaktus, keine Sukkulenten mehr. Nur noch absolute Leere und kahler Boden.
Ein trauriger Anblick. Zwischendurch frage ich mich wie die Gärtner es geschafft haben, dass wirklich nicht von diesen vitalen Sukkulenten übrig blieb. Wenn ich sie im Garten verpflanze bleibt immer etwas zurück. Ein kleines Blatt reicht zur Vermehrung. Aber hier – bis auf ein wenig Unkraut – ist alles weg.
Der Platz davor war immer über den Sommer ein großer subtropischer Garten mit Kübelpflanzen von denen ich immer nur träumen konnte. Bänke und Wege die zum Schlendern einluden sind verschwunden. Eine Brachfläche wird noch zum Weg hin von einzelnen Kübeln flankiert, das ist alles was übrig ist von all der Pracht. Einzelne Blumen haben sich zwischen dem Unkraut ausgesät.
Ich gehe weiter um die Ecke. Von der Stirnseite des Gewächshauses ist das ganze Ausmaß sichtbar. Wo früher Wüstenpflanzen standen ist jetzt wirklich Wüste. Es ist nicht ran zu kommen, aber ich habe das dringende Bedürfnis mir einen Stein aus dem Sand zu nehmen – als Erinnerung.
Dann der Tropische Hof. Das große Wasserbecken mit den tropische Seerosen – verschwunden.
Das war das kleine Tropenhaus. Jetzt erinnert es an eine Industriebrache und hat deren Charme. Verfall, Verwüstung, Lost Places haben ihre ganz eigene Aura.
Eigentlich eine Freude für jeden Fotografen. Die Strukturen geben unglaubliche Fotomotive ab. Aber mit ist nicht nach jubeln, mir ist schon fast zum Heulen.
Diese Glashäuser haben mich mein ganzes Leben lang begleitet. Hier war ich mit meinem Vater schon vor Jahrzehnten regelmäßig – er ist schon lange tot. Später die Spaziergänge mit meiner kleinen Tochter, erst im Kinderwagen dann auf wackligen Beinchen. “So sieht dein Kakao aus wenn er noch nicht gekocht ist.” – Sie ist schon längst erwachsen.
Ich würde so gerne rein gehen. Ein letztes mal ganz alleine durch die Häuser bummeln und Abschied nehmen.
So bleibt mit nur der Blick auf den Ziertabak. Er hat sich hier wohl heimlich ausgesät und nutzt den Saal jetzt ganz für sich. Genau so wirken die riesigen Räume jetzt. Wie verlassenen Ballsäle in denen niemand mehr tanzt.
Das hier mal Vanille wuchs kann man sich nicht mehr vorstellen.
Die neuen Häuser sollen erst im Jahr 2020 fertig sein. Ganz schön lange Bauzeit. Ich hoffe, dass die Stadt wenigstens diesen Termin einhält. Als Kölnerin hat man so seine Erfahrung mit städtischen Bauprojekten die ewig nicht fertig werden und am Ende doppelt so viel kosten. Unfähigkeit, Trägheit und nicht zuletzt der berühmt berüchtigte Kölsche Klüngel sorgen in Köln für eine Katastrophe nach der anderen. Siehe U-Bahnbau, Rathausvorplatz oder Oper – lauter rote Tücher für Steuerzahler und/oder vom Verkehrskollaps geplagte Bürger. Ich hoffe hier strengt man sich ein wenig an und benutzt beizeiten das Hirn.
Ich wende mich nun Erfreulicherem zu. Die Palmenallee gehe ich außen entlang, von der ich immer noch der Meinung bin, dass der Weg durch die Mitte führen muss, es entspricht schließlich dem Wesen einer Allee mitten durch die Baumreihen zu gehen.
Wie toll die dicken Fruchtstände der Palmen sind. Ob meine Hanfpalme jemals Früchte tragen wird?
Ich komme zu den Staudenpflanzungen. Sie werden jetzt von Astern und Staudensonnenblumen dominiert. Ein nettes Paar sucht nach dem botanischen Namen und findet ihn nicht. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns eine Weile. Eine nette Begegnung.
Ich gehe weiter Richtung Seerosenteich. Unterwegs immer wieder Totholz und Steine. Beides liebe ich im Garten. Aus ökologischer Sicht gehört es dazu, und optisch finde ich es einfach reizvoll.
Ach, würde mir doch jemand ein paar große Steine bringen.
Kleine Zieräpfelchen wachsen hier. Hübsch sind sie. Ich kann mit einfach nicht verkneifen einen zu kosten der herunter gefallen ist. Mehlig – bitter – nicht nochmal. Ich bin kuriert.
Inzwischen bin ich am Seerosenteich angekommen. Gleich am Rand tummeln sich ein paar Karpfen. Ich zücke die Kamera, schraube den Polfilter auf um die Wasserspiegelung zu brechen. Gerade will ich abdrücken, schiebt sich rücksichtslos eine lauthals nach hinten zu ihrem Mann keifende ältere Frau vorbei und vertreibt die Fische. Das sie mich dabei noch leicht rempelt scheint die “Dame” auch nicht weiter zu belasten. Manche Menschen würde man mal gerne ein wenig baden lassen …
Endlich ist sie weg und nach ein wenig warten kehren die Karpfen zurück. Aber nicht mehr ganz so nahe wie vorhin. Ich mache das erste Foto, das zweite Foto – klack – fällt der Polfilter von der Kamera und landet im Teich. Ganz, ganz großartig!!! Ist ja echt mein Tag heute. Also Kamera in die Tasche, Schuhe aus, über den Baumstamm der Uferbefestigung klettern und ab in den glibbrigen Uferbereich. Bitte nicht auch noch ausrutschen. Ich gebe schon genug Vorstellung für meine Mitmenschen die mich skeptisch beäugen, als wollte ich mich ersäufen. Langen Arm machen und ich habe meinen Filter wieder.
Ein kurzer Abstecher nach rechts.
Nein, das ist keine Aufforderung zur Ablage, sondern ein Apothekergarten. Hier wächst was dagegen hilft. Ich muss aber zugeben, dass Heilkräuter nicht das sind womit ich mich besonders beschäftigen mag und gehe zurück zum Teich. Ist der nicht herrlich?
Um den Teich gehe ich außen durch die Hügel des Alpinums. So besonders spannend sind sie heute nicht für mich.
Danach komme ich in schattigere Regionen. Hier wächst die Wachsglocke Kirengeshoma. Diese aus Japan stammende Pflanze verträgt schattige Bereiche samt Wurzeldruck und ich hatte eine im Garten. Ein Blick aufs Laub erklärt warum jetzt keine mehr habe. Mein Mann hat sie für einen Ahornsämling gehalten, raus gerissen und kompostiert.
Gegenüber steht ein Insektenhotel aus vorhandenem Material zusammengebaut und mit Dachbegrünung aus Ablegern. So richtig schön verwunschen. So eins hätte ich auch gerne. Es ist so schön gegenüber all den bunten Dingern, oft aus dem Baumarkt und dann noch mit diesem blöden angenagelten Schild mit Insektenhotel-Aufschrift. Seit wann können Insekten lesen? Das ist wirklich nicht originell.
Dort ruht sich ein Schneckchen an der Nachtkerze aus.
Ein paar Meter weiter steht dieses Modell. Das ist zwar nicht so hübsch wie das erste, aber wer wenig Platz hat kann so ein schmales Modell vielleicht noch unter bringen.
Eine schöne alte Laterne vor der alten Zeder.
Auf dem Weg zum einzigen erhaltenen Gewächshaus komme ich an den Quartieren vorbei wo die Kübelpflanzen untergebracht wurden. Noch drei Jahre bleiben sie dort.
Auch die große Cameliensammlung ist aus dem Subtropenhaus ausquartiert worden um empfindlicheren Pflanzen Platz zu machen.
Auf dem Weg zum Subtropenhaus muss ich über eine Brücke die über den Neptunteich führt.
Ich stelle mich ans Geländer und schaue ins Wasser. Blitzartig sind eine ganze Reihe Karpfen da, schauen mich an und öffnen die Mäuler. Ich wette das sind die von eben – nur mit Verstärkung. Ich schwöre die warten drauf, dass ich wieder was ins Wasser werfe. Diesmal hoffentlich etwas Essbares.
https://www.youtube.com/watch?v=GRau1Rgwxvk
Auf der Wiese blühen die Herbstzeitlosen. Auch so etwas was in meinem Garten fehlt.
Ich bin am Vorplatz zum Subtropenhaus angekommen.
Hier stehen Kübelpflanzen aus eben dieser Klimazone. Ganz viel zu sehen für Freunde von Fuchsien und Pelargoniumarten.
Diese Fuchsia-denticulata – Blüten finde ich besonders schön.
Diese Pelargonie finde ich überhaupt nicht schön, aber der Name klingt so schön bescheuert als wäre er beim Heurigen entstanden – als die Flaschen geleert waren.
Schön dagegen die Blüte der Königs- Protee, selbst im knospigen Zustand.
Phylica polifolia Kapmyrte hat niedliche Blütenknöpfchen die gut zum nadelartigen Laub passen.
Drinnen zeige ich einfach mal ein paar schöne Bilder, die einen Eindruck der Bepflanzung geben.
Ganz und gar nicht erschlossen hat sich mir der Titel dieser Statue. Die ‘Sterbende Amazone’ 1910 von Nikolaus Friedrich hat für mich keinerlei Ähnlichkeit mit einer Sterbenden und Amazonen stelle ich mir auch anders vor. Sie wirkt auf mich einfach wie eine Nackte am Badeteich, die den Hut fest hält damit er nicht weg fliegt.
Diese Palme ist umgestürzt …
… aber nicht tot.
Jede Menge Farn wächst auf dieser Dicksonia.
Hier eine wie ich finde gute Idee um Sitzplätze auf Mauern zu machen ohne viel Aufwand. Einfach Bambusstäbe zu “Sitzkissen” zusammen schrauben.
Jetzt verlasse ich das Haus und gehe langsam Richtung Ausgang. Hier kommen noch einmal große Schattengärten. Die Rückseite des Rosen -Frauenhofs.
Bergminze an Steine geschmiegt.
Hier ist es meistens ruhig. Die Leute wollen lieber in die Sonne.
Mittendrin stehen eingezäunt große Camelien.
Vielleicht sollte ich mal an Weihnachten herkommen. Dann blüht sie vielleicht.
Noch eine Schautafel fällt mir auf. Sie scheint so alt wie die Flora.
Spannend zu sehen wo die Flora früher lag. Nämlich erst mal am Dom und dann auf dem Gelände des heutigen Rheinparks. Dem Dom fehlten noch die Türme, Dampfschiffe fuhren auf dem Rhein und es gab noch keine Eisenbahnbrücke.
Und das war der alte Kristallpalast. Heute wieder rekonstruiert …
… in Form der “Flora”.