Grüne Tomaten
Jeden Herbst haben die, die Tomaten im Garten und auf dem Balkon gezogen haben, eine Menge unreife, grüne Tomaten, die draußen nicht mehr ausreifen. Was tun damit? Tatsächlich gibt es nur eine einzige Lösung.
Erst mal ein paar Grundsätzlichkeiten:
Unreife Tomaten enthalten das Gift Solanin. Solanin kann je nach Dosierung folgende Vergiftungserscheinungen verursachen:
- Völlegefühl
- Übelkeit
- Erbrechen
- Überempfindlichkeit bei Berührung
- Atemprobleme
- Ausschläge
- Halluzinationen
- Nierenentzündungen
- Schädigungen des zentralen Nervensystems
- Tod
Laut der Deutsche Gesellschaft für Ernährung liegt die Dosis für eine Solaninvergiftung mit 3 – 5 mg/kg-Körpergewicht an. Ab 3-6 mg/kg-Körpergewicht kann die Dosis tödlich sein. Das ist abhängig von Alter, Gewicht und Gesundheitszustand der Person. Das wäre ungefähr die Menge von 5 kg rohen Kartoffeln. Wer isst die schon auf einmal? Vermutlich niemand, nicht mal in merkwürdigen Wettbewerben.
In grünen Kartoffeln, die Licht abbekommen haben, steigt die Dosis allerdings drastisch an. Dasselbe gilt für die oberen Teile der Kartoffelpflanzen. Das isst niemand. Und bei anderen Nachtschattengewächsen wie Auberginen, Physalis – und eben Tomaten – ist es genauso. Kein Mensch würde sich ein Gemüse aus Kartoffelfrüchten, Tomatenblättern oder anderen Pflanzenteilen von Nachtschattengewächsen kochen, die als giftig bekannt sind. Eben wegen des Solanins. Wieso also kochen dann jedes Jahr wieder Leute Marmeladen, Chutneys und Currys aus unreifen Tomaten?
Es gibt ein paar Argumente – und ich werde sie umgehend entkräften.
- In den Südstaaten der USA sind gebratene grüne Tomaten eine Delikatesse. Es gibt sogar einen gleichnamigen Spielfilm.
– Ja, das ist so, weil es dort spezielle Tomatensorten gibt, die reif grün sind und daher nicht mehr Solanin enthalten wie eine rote, gelbe oder orange Tomaten und somit nicht giftig sind. Und nebenbei erwähnt: Filme sind Fiktion und kein Beweis. - Solanin wird durch Hitze abgetötet.
– Solanin ist kein Lebewesen, das kann man nicht abtöten. Das Gift ist hitzefest, wird also beim Kochen auch nicht neutralisiert, zersetzt oder was auch immer. Wäre das so, könnte man ja alle als giftig bekannten Pflanzenteile auch essen. Siehe oben. - Aber meine Mutter hat früher auch immer Marmelade aus den unreifen Tomaten gemacht. Uns ist nie was passiert.
– Die Dosis macht das Gift. Wieder siehe oben. Klar macht es einen Unterschied, ob ich ein Brötchen mit Marmelade esse oder eine ordentliche Portion Curry aus grünen Tomaten. Es macht einen Unterschied, ob ich ein Mann mit 90 kg Körpergewicht bin, oder ein kleines Mädchen mit 9 kg.
Hinzu kommt, dass Gift oft erst verzögert wirkt. Würde man ein Marmeladenbrötchen essen und 10 Minuten später überm Klo hängen, wäre die Sache klar. Aber ist man einen Tag später ein bisschen kurzatmig oder hat ein bisschen Bauchgrummeln sieht man meist keinen Zusammenhang mehr. Eine Nierenentzündung bringt kein Laie mehr mit dem Mittagessen von vor fünf Tagen zusammen. Zumal die meisten Leute die Symptome ja gar nicht kennen.
By the way: Bergsteigen tun viele. Den meisten passiert auch nix. Aber manche stürzen in den Tod.
Was ist die Lösung?
Unreife, grüne Tomaten aus dem Garten bei Zimmertemperatur und dunkel nachreifen lassen. Bei Tageslicht gehen sie erfahrungsgemäß schneller in matschig über. Das geht ohne Schwierigkeiten. Es ist ja auch das übliche Prozedere um die langen Transportwege der Supermarkttomaten zu bewältigen. Ein Küchenschrank oder eine dunkle Abstellkammer sind ideal dafür.
Dazu sind auch weder Eierkartons noch Holzroste, oder was sonst noch so im Netz rumgeistert, nötig. Ein einfacher, luftiger Korb oder eine offene Schüssel, am besten aus Kunststoff, weil besser zu reinigen, wenn doch mal eine Frucht verletzt ist oder fault, reicht völlig aus. Man muss nur regelmäßig kontrollieren, dass nichts gammelt und die reifen Tomaten zum Verbrauch entnehmen.
Diese Tomaten haben natürlich nicht das herrliche Aroma der von der Sonne gereiften im August. Aber sie sind immer noch besser als die vom Discounter. Man weiß, wo sie herkommen, sie sind üblicherweise ohne Spritzmittel angebaut und so gut wie klimaneutral, weil nicht transportiert. Meisten schmecken sie auch gut genug für einen Salat oder aufs Brot und für eine Soße oder in anderen Gerichten verkocht sind sie sowieso noch ganz prima geeignet.
Und wenn ich doch meine geliebte Marmelade von grünen Tomaten will, oder mein Relish oder die gebackenen grünen Tomaten? Auch hierfür gibt es eine Lösung.
Reife grüne Tomaten bekommt man oft in türkischen Supermärkten zu kaufen. Diese können problemlos verzehrt werden. Aber auch der Eigenanbau ist möglich. Es gibt eine Reihe von Sorten, die grün reifen, einfach weil sie keinen roten Farbstoff Lycopin ausbilden, der auch übrigens im botanischen Namen der Tomate Solanum lycopersicum vertreten ist.
Die bekannteste Sorte ist sicherlich ‘Green Zebra‘. Aber es gibt noch einige andere. In allen Größen von der Cocktail- bis zur Fleischtomate. Die Samen muss man allerdings online kaufen. Im Gartencenter gibt es sie eher nicht. Mit etwas Glück findet man auch welche im Frühjahr auf Samenbörsen.
Hier einige Sorten nach denen man Ausschau halten kann:
- ‘Emerald Apple‘
- ‘Green Pear‘
- ‘Green Docs‘
- ‘Cherokee Green‘
- ‘Artisan Green Tiger‘
- ‘Ruby’s German Cherry‘
- ‘Aunt Ruby’s German Cherry‘
Bleibt am Ende noch die Frage woran ich denn bei grünen Sorten erkenne, dass sie reif sind.
Unreife Früchte sind hart und haben eher eine blaugrüne Farbe. Reife geben auf Fingerdruck leicht nach und die Farbe verschiebt sich in ein warmes gelbliches Grün. Einige wie ‘Green Zebra’ bekommen auch bunte Streifen oder leicht rötliche Bäckchen.
Jetzt muss man nur noch Acht geben, dass man sie von denen zum Nachreifen hübsch getrennt hält.
Bis bald
Hallo Claudia,
dass Tomaten zum Nachreifen kein Licht brauchen, war mir inzwischen bekannt – früher hieß es immer, an einen hellen Platz legen. Aber dass es Tomaten gibt, die im reifen Zustand grün sind, ist mir neu. Ich weiß nicht, ob sie mir schmecken würden. Die Warnung, keine grünen Tomaten zu essen, sitzt tief …
Liebe Grüße und dir ein schönes Wochenende
Susanna
es ist egal, ob hell oder dunkel. sie reifen in jedem fall nach.
Hallo Claudia,
vielen Dank für diesen informativen Post. Dass grüne Tomaten so gefährlich sind wusste ich nicht, nur von Kartoffeln hatte ich das schon mal gehört. Wieder was gelernt.
Den Film kenne ich allerdings und wusste auch, dass es spezielle Sorten gibt, die im grünen Zustand reif sind.
Aus der Schule kenne ich auch noch den Spruch “die Dosis macht das Gift”, aber besser ist natürlich immer, wenn man genau weiß was man isst und welche Auswirkungen es danach geben kann.
Liebe Grüße
Gabi
Hallo liebe Claudia,
meine Freundin verarbeitet immer ihre noch unreifen Tomaten zu Marmelade. Ich glaube, ich werde ihr deinen Bericht zu lesen geben.
Ganz liebe Grüße
Clara